Ausgrabungen in der Propstei St. Gangolf
Die Propstei zum heiligen Gangolf in Hollfeld wurde erstmals 1309 im Zuge ihrer Errichtung durch das Bamberger Gangolfsstift urkundlich erwähnt.
Mit der Wahl dieses Patroziniums wird der rechtliche und wirtschaftliche Bezug der Kirche zum Bamberger Bistum deutlich, zu dem Hollfeld seit der Übereignung des Würzburger Zehnten an das Bistum Bamberg im 11. Jahrhundert gehörte. In diesem Zusammenhang taucht erneut der Name der Walpoten auf.
Die Gangolfverehrung und ihre Verbreitung
Die Besitzungen dieser Stellvertreter der Gaugrafen von Schweinfurt reichten von Hollfeld bis ins Fichtelgebirge. Es handelte sich auch um einen Walpoten, namens Reginold Walpoto, der seinen Besitz in und um Hollfeld dem von Bischof Gunther zwischen 1057 und 1059 gegründeten Kolligialstift St. Gangolf in Bamberg übereignet hatte.
Die Zentren der bereits im 9. Jahrhundert nachweisbaren Verehrung des burgundischen Adeligen Gangolf liegen im burgundisch-lothringischen Grenzgebiet. Von hier aus verbreitete sich die Gangolfsverehrung vor allem durch die lothringischen Reformbewegungen des Benediktinermönchtums in Ostfrankreich und am Rhein und gelangte wahrscheinlich auch durch unmittelbare Beziehungen nach Bamberg und von hier aus nach Hollfeld. Frühe Gangolfpatrozinien sind in den Gebieten am Main sehr selten.
Obgleich die Kirche St. Gangolf in Hollfeld erstmals zu Beginn des 14. Jahrhunderts erwähnt wird, geht ihr Ursprung wohl weiter zurück. Der heutige Bestand umfasst als ältesten Kern im Osten eine romanische Apsis. Sie ist vom Chor durch eine gotische Wand getrennt. Chor und Langhaus aus der Zeit um 1600 wurden im 18. Jahrhundert überformt. Im Westen befindet sich, an die ehemalige Kirche angefügt, ein spätmittelalterlicher Wehrturm, heutiges Wahrzeichen der Stadt Hollfeld. Die Oberstadt Hollfelds ist hinsichtlich ihrer Topographie den einst in Schweinfurter Besitz befindlichen, von Thietmar erwähnten zentralen Burgplätzen „Crana” (Kronach) und „Crusni” (Creußen am roten Main) sehr ähnlich. Sie liegt auch auf einem Bergsporn - über dem Zusammenfluss von Kainach und Wiesent.
Die Umbauarbeiten im 17. und 18. Jahrhundert
Im Vorfeld der Sanierung der 1803 profanierten Kirche fand auf Initiative der Stadt Hollfeld und ihres Stadtheimatpflegers durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, Archäologische Außenstelle für Oberfranken, 1999 eine dreimonatige archäologische Untersuchung statt. Hierfür wurden im Kirchschiff fünf Nord - Süd gerichtete Schnitte und kleinere Sondagen angelegt.
Im Westen tauchte zum Teil nach wenigen Zentimetern der natürliche Fels auf. Dieser zeigt Abarbeitungen wie eine Pfostenstandspur. Die dünne Kulturschicht und die daraus stammenden Funde lassen auf starke Abplanierungen, wohl beim Umbau im 18. Jahrhundert, schließen.
Unmittelbar westlich des Triumphbogens wurde ein großflächig erhaltener Kalkmörtelanstrich angetroffen. Darunter lagen ein Stampflehmboden sowie zwei bis in den Felsen abgetiefte Gruben, die Bauschutt, aber auch Skelettreste, Lederfragmente und Teile von Totenkronen enthielten. An dieser Stelle waren zwei Bestattungen durch den Einbau der Fundamente der Seitenaltäre im Zuge der Barockisierung des Langhauses 1714 gestört worden. Dabei hatte man eines der beiden Skelette bis auf die Höhe der Oberschenkelknochen gekappt und an die nördliche Grubenwand gedrückt. Mit neuzeitlichem Schutt vermengt, wurden hier außerdem eine eiserne Öse eines Haken-Ösenverschlusses, ein metallenes Ringchen und ein Doppelknopf geborgen. Die Fragmente der Totenkrone, an denen zum Teil noch Textilreste anhaften, sind aus dünnem Kupferdraht gefertigt, der spiralig gedreht zu einer Vielzahl kleiner "Kreise" zusammengewickelt ist. Der älteste Bildbeleg für Totenkronen als Teil des Ledigenbegräbnisses stammt aus dem Jahr 1627. Archivarische Hinweise auf vegetabile Kränze gab es bereits im 16. Jahrhundert. Nachdem man im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert prunkvollere Materialien bevorzugte, rückte im 19. Jahrhundert wieder pflanzliches Material in den Vordergrund, nicht zuletzt deswegen, weil amtliche Verordnungen im 18. Jahrhundert die "Geldverschwendung" verhindern sollten. Mit dem Verbot der Eigenkrone kamen aus Metall getriebene Leihkronen in den Kirchengemeinden auf. Diese wurden nicht mehr mit ins Grab gelegt, sondern auf dem Sarg befestigt oder ab etwa 1900 auch auf einem Kissen hinter dem Sarg getragen und später in der Kirche oder im Pfarrhaus verwahrt. Nach 1870 wurde dieses Brauchtum nur noch in wenigen Gebieten wie Schlesien, Schwaben, Steiermark und Mittelfranken noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gepflegt; allein im Ansbacher Raum sogar bis in die 70er Jahre.
Die Totenkronenfragmente aus dem Grab vor dem nördlichen Seitenaltar sind ebenfalls aus dünnem Kupferdraht gefertigt. Er ist in Form von eng aneinanderliegenden Schlaufen gebogen. Art und Aussehen der Stücke aus beiden Gruben sprechen für eine frühe Form. Die Störung durch die Bautätigkeit von 1714 erlaubt eine Datierung der beiden Gräber ins 17. Jahrhundert.
Innerhalb des Grabungsareals konnten im westlichen der beiden Chorschnitte zwei weitere, wohl spätmittelalterliche Bestattungen aufgedeckt werden. Eine der beiden Bestattungen ist umgekehrt, Ost-West orientiert. Bekrönt war das Skelett mit einem geschwungenen grünlich verfärbten Textilband. Nördlich der Wirbelsäule lag ein rechteckiger Gegenstand, Reste hölzerner Perlen gehören wie die metallenen, aufwendig gearbeiteten Perlenfragmente aus dem Nachbargrab zu einem Rosenkranz.
Die Fußböden
Im ganzen Chorraum ließ sich die Abfolge mehrerer Fußbodenniveaus fassen: Unter den oberen Planierschichten ein Kalkmörtelanstrich aus dem Spätmittelalter mit einer in Kalkmörtel verlegten Rollierung; ein weiterer Kalkmörtelstrich und ein darunter liegender Stampflehmboden; im Anschluss humoses Erdreich über dem Fels. Für die zeitliche Einordnung des stratigraphisch älteren, fundleeren Estrichs erbrachte eine Sondage zur gotischen Mauer Aufschlüsse. Da er sich ein Stück unterhalb der Fundamentierung der gotischen Wand befand, kann er nur zum romanischen Kirchbau gehört haben.
Die in den östlichen Schnitten nachweislich auf dem Fels aufsetzende Humusschicht scheint nicht im Zusammenhang mit dem Kirchenbau zu stehen. Aus ihr wurden zwei vorgeschichtliche Keramikbrandscherben geborgen. Dennoch fällt auf, dass das sonst so homogene Material in den „Baugruben” zwar einen Anteil größerer Kalksteinbrocken enthielt, aber mit keinerlei Mörtelrückständen durchsetzt war. Orientierung und Maße der „Baugruben” zeigen, dass sie nicht für das freigegrabene, mehrphasige, teils zurück- bzw. vorspringende Fundament der südlichen und nördlichen Außenmauern angelegt worden sein konnten, sondern als Spuren einer älteren nicht erfassten Bebauung gewertet werden müssen. Bestätigt wird dies beispielsweise auch durch die für die Grabgrube allein zu groß vorgenommenen Felsabarbeitungen.
Im südlichen Abschnitt des O-Profils zieht der statigraphisch jüngere Stampflehmboden nach der Störung durch die Grab- bzw. Baugruben nicht weiter über die schwarze Schicht, sondern bricht ab. Das bedeutet, dass die extreme Abarbeitung des Felsens unmittelbar südlich der Bestattung mit größerem zeitlichen Abstand zu ihrer heutigen Einfüllung erfolgt sein muss, was nicht zuletzt am Niveauunterschied zwischen 1,40 m und 1,94 m Süd der Oberkante der schwarzen Schicht ablesbar ist.
Möglicherweise bringen weitere Untersuchungen im Außenbereich der Kirche nähere Aufschlüsse über eine ältere Bebauung.
Quelle: Hannig; R.: "Das Wahrzeichen der Stadt Hollfeld", Festschrift 2001