Der „heilige Gangolf” – Die Walpoten
Als das Bamberger Stift St. Maria und Gangolf um das Jahr 1058 von Bischof Gunther und dem Edlen Reginold gegründet wurde, erhielt es als Ausstattung neben dem Stiftsgelände in der Theuerstadt zu Bamberg reichen Besitz in Hollfeld und Umgebung, der von dem genannten Reginold stammte.
Stiftsgründung St.Maria und Gangolf
Es gibt zwar keine Urkunden über die Stiftung, aber man kann sie aus späteren Nachrichten erschließen, aus denen sich auch ergibt, dass es sich bei dem edlen Stifter um Reginold II. Walpoto gehandelt haben muss. Denn dieser ist nach der Überlieferung unter dem Altar der Stiftskirche bestattet worden.
WALPOTO war zur Zeit der Stiftsgründung im 11. Jahrhundert noch kein Name sondern eine Amtsbezeichnung, dessen Träger Aufgaben des Gaugrafen erfüllte, die vor allem im Amt des obersten Richters und bei der Leitung des Heerbannes im Namen des Königs anfielen. (Waltbote als Nachfahre des Königs anzusehen).
Herkunft der Walpoten
Walpoten sind seit Anfang des 11. Jh. nicht nur hier in Mainfranken sondern auch im Mittelrheingebiet vom Taunus bis in den Westerwald, sowie in Schwaben bis in den südlichen Schwarzwald, im Amt des Stellvertreters des Grafen überliefert. In den Urkunden werden sie überwiegend „Waltboten” und ähnlich genannt. Auch weiß man schon seit den Zeiten der Brüder Grimm, dass es sich um eine deutsche Wortbildung handelt und das „walt” im heutigen Sprachgebrauch zu Wörtern wie Anwalt, Gewalt, Verwalter, also zum Schalten und Walten gehört. Der -bote steht synonym zu einem heutigen „Gesandten”, dem im karolingischen Sprachgebrauch der „missus” als vom König gesandter Bevollmächtigter entsprach. Die hoheitlichen Kompetenzen der Walpoten sind dann schon seit dem hohen Mittelalter mit dem Aufkommen der Territorialherrschaft mehr und mehr abgebaut worden und schließlich ist die ehemalige Amtsbezeichnung nur noch als Namenszusatz für die Nachkommenschaft der einstigen Träger in Gebrauch gewesen.
Entstehung der Gangolfsverehrung
In der Literatur steht zum Gangolfproblem in Bamberg und Hollfeld die Erforschung der Ereignisse und der Personen des 11. Jh. im Vordergrund. Hiermit kann die Entstehung der hiesigen Gangolfsverehrung aber keinesfalls erklärt werden. Sondern es bleiben folgende Fragen offen:
War Gangolf schon von altersher der Familienpatron der Walpoten und entstand aus diesem Grund seine Verehrung in Bamberg und Hollfeld?
Oder wann und warum wurde die Verehrung hier begründet?
Zu 1.
Gustav Voit vertritt in seiner umfassenden Darstellung der Nachrichten über die mainfränkischen Walpoten die Ansicht, dass deren Vorfahren einer hochadligen Großfamilie aus Neustrien entstammten, also aus dem westfränkischen Raum zwischen Schelde und Loire, und dass sie nach 730, also in der Zeit Karl Martells, im östlichen Mainfranken Besitz und Einfluss erlangt haben. Er geht davon aus, dass sie die Gangolfverehrung aus dem Westen mitgebracht haben, aus der Heimat Gangolfs, dem Grenzgebiet der fränkischen Teilreiche Burgund und Neustrien. Eine Zuwanderung aus Neustrien anzunehmen ist auch nicht abwegig, denn die bedeutenden fränkischen Hochadelsgeschlechter Süddeutschlands sind tatsächlich von Neustrien gekommen, wie die Agilolfinger als Herzöge von Bayern oder die Robertiner, deren Nachfahren als Babenberger, als Grafen von Schweinfurt, als Popponen und als Grafen von Weimar-Orlamünde in Mainfranken eine große Rolle gespielt haben. Doch Reginold Walpoto ist uns nicht als Hochadliger überliefert, d.h. als comes = Graf oder vir illuster = Erlauchter, wie auch die Vorfahren Gangolfs tituliert worden sind, sondern nur als vir nobilis = Edelfreier, also von niederem Adel. Diese mindere Position wird auch mit dazu beigetragen haben, dass sich das Geschlecht später gegen die Grafen von Andechs Meranien nicht durchsetzen konnte. Die meisten Autoren betrachten die Walpoten als Ministeriale der Bamberger Bischöfe, denen Heinrich II. das Grafenamt hier im Radenzgau übertragen hatte, das vorher die Grafen von Schweinfurt ausübten, bis diese nach einem Aufstand gegen den König im Jahre 1003 ihre Ämter verloren. Es wird angenommen, dass die Vorfahren der Walpoten auch den Schweinfurtern schon als Ministerialen gedient hatten.
Zu 2.
Nach den Ergebnissen der Arbeiten über die Gangolfpatrozinien an Donau und Lech und im Raum um den Harz, ist zu erkennen, dass die Gangolfverehrung bald nach dem Tod des Heiligen (um 760) entstanden sein muss und dass sie auch rasch über den Rhein vorgedrungen ist, weil sie nämlich stark im fränkischen Heer verbreitet war, dem Gangolf als einer der Truppenführer des Königs Pippin, des Vaters Karls des Großen, angehört hatte. Bald nach dem Regierungsantritt Karls des Großen (768) begannen die Vorbereitungen für die Besetzung von Bayern und für die Sachsenkriege. Hier im mainfränkischen Raum war das mit der Sicherung der Ostgrenze und der Integrierung der Mainslawen verbunden. Auf den fränkischen Stützpunkten wurde Gangolf verehrt und da und dort blieb eine schlichte Holzkapelle erhalten, die spätere Generationen zu einem festen Bau oder gar zu einer Kirche erhoben. Deshalb lässt sich bei den Gangolfskirchen in der Regel ein Zusammenhang mit frühmittelalterlichen Fernwegen und deren Rastplätzen (Stützpunkten) und sonstigen karolingischen Institutionen, wie Königsgut und Königskirchen, insbesondere alten Martinskirchen, feststellen.
In diese Zusammenhänge passt Bamberg-Theuerstadt (1059 Duristat) schon wegen der Nähe zum karolingischen Zentrum Hallstadt mit seiner Martinskirche. Außerdem lassen sich der „Vicus Teuerstadt” und der benachbarte „vicus St. Martini” in Bamberg als einst zum Königshof bzw. einer Burg gehörig identifizieren. Die dortige Martinskirche wird schon von Paul Schöffel, aber auch vom historischen Atlas als karolingisch angesehen, auch wenn darauf hingewiesen wird, dass dies strittig sei. Die Nachbarschaft zum Gagolfpatrozinium kann ein weiteres Argument für das hohe Alter des Martinspatroziniums sein.
Gangolfpatrozinium aus dem 8. Jahrhundert
Am Ende dieser Betrachtungen können wir feststellen, dass in Hollfeld alle Voraussetzungen für ein Gangolfpatrozinium aus dem 8. Jh. gegeben sind:
Die Lage an einer wichtigen frühmittelalterlichen Fernwegkreuzung bedarf keiner Erläuterung. Sie kann insbesondere auf der Kartenskizze im Heimatbuch „650 Jahre Stadt Hollfeld” aus dem Jahr 1979, Seite 46 nachvollzogen werden.
Die Ortsnamen auf -feld werden in Mainfranken allgemein der karolingischen Zeit zugerechnet und Hollfeld gehörte in der Frühzeit zum nahen Königsfeld, dem Königshof „quod est in montanis contra Boemiam”, der in den Bergen nach Böhmen zu liegt.
Dort stand ursprünglich eine Kirche des Königsheiligen Martin, die später auf St. Kilian übertragen wurde, als dieser 788 von Karl dem Großen ebenfalls zum Königsheiligen erhoben worden war. Dieser Patrozienwechsel ist auch sonst in Mainfranken zu erkennen.Auf dem Gangolfsberg wird das fränkische Heer eine Warte auf einem gesicherten Stützpunkt gehabt haben und hier stand wohl auch eine kleine hölzerne Andachtsstätte des heiligen Gangolf. Nach deren Resten braucht man nicht zu suchen. Denn die Archäologen suchen auch schon lange vergeblich nach den Resten mancher großen Karolingerpfalz.
von Wolfram Siegel, Kiel
aus der Chronik: Das Wahrzeichen der Stadt Hollfeld - zu neuem Leben erweckt